2010-10-22

Mehr Licht!

Im Zuge einer Reihe von Lesungen und Gesprächen unter dem Arbeitstitel "Mehr Licht! Die europäische Aufklärung weiter gedacht" stellte Richard Dawkins gestern Abend sein neuestes Buch "Die Schöpfungslüge. Warum Darwin recht hat" vor. Dieser Auftritt im Mülheimer Ringlokschuppen


ist sein einziger Aufenthalt in Deutschland in diesem Jahr, die Karten zu diesem Event waren in Insiderkreisen entsprechend stark nachgefragt. Der Vorstand der mitorganisierenden Giordano-Bruno-Stifftung war so beispielsweise durch Herbert Steffen, Fiona Lorenz (links) oder Michael Schmidt-Salomon (rechts) vertreten.


Nach einigen einleitenden Worten des Moderators ("Bundespräsident Wulff hätte in seinen letzten Reden nicht nur mehr Freiheit für die Religionen, sondern auch von den Religionen fordern sollen." "Gottlosigkeit lässt mehr Platz für Menschlichkeit.") gehörte der Rest des Abends dem Hauptredner. Dawkins stellte sein Buch knapp Kapitel für Kapitel vor, einige kurze Passagen las er daraus vor.


"Charles Darwin war nicht der Erste, der die Mechanismen der künstlichen Selektion erkannte, aber er war der Erste, der ihr Wirken auch in der natürlichen Selektion beschrieb." Die Arbeiten von Evolutionsforschern verglich er mit Kriminalisten, die auch selten das "Glück" haben, einen Täter auf frischer Tat zu ertappen, sondern die Indizien an einem Tatort erkennen und interpretieren müssen. Analog werden die Zeugnisse unterschiedlichster Wissensgebiete wie Paläontologie, Geologie oder Molekularbiologie zusammengetragen und ergeben ein schlüssiges Bild der Entwicklung unserer Umwelt. Selbstverständlich gibt es Lücken in Fossilfunden, aber diese werden zunehmend geschlossen und, worauf Dawkins besonders hinwies, neue Fossilfunde finden sich ausnahmslos in den Sedimentschichten und damit auch den erdgeschichtlichen Epochen, die man aufgrund der bisherigen Erkenntnisse erwartet hat.

Im anschließenden Q&A-Teil antwortete er kundig und erhellend auch auf Fragen, die unverständlich gestellt wurden ;-)


Dieser Teil wie auch sein Vortrag wurde in englisch gehalten, nur vereinzelt kam die anwesende Diplomdolmetscherin zu Wort.

Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung bildeten sich lange Schlangen vor dem Signiertisch. Zumindest fiel Dawkins auf, dass ich eines seiner Bücher im Downe House, dem ehemaligen Wohnsitz Charles Darwins, erworben hatte ...

Insgesamt ein Hochamt der Wissenschaft und der Vernunft. Und wenn ich das Durchschnittsalter des Publikums (so um die 30 Jahre) dieser ausverkauften Veranstaltung mit dem Durchschnittsalter der üblicherweise wenigen Besucher eines Gottesdienstes vergleiche, lässt mich das für die Zukunft hoffen ...

Dunkelkammer

Die größte begehbare Camera Obscura (auf deutsch: Dunkelkammer) dieser Erde ist 1992 in die Kuppel des alten Wasserturms in Mülheim-Broich eingebaut worden.


Das ursprüngliche Konzept einer Camera Obscura sieht eine kleine Öffnung in der Wand eines ansonsten lichtdichten Raumes vor. Durch die Öffnung gelangen Lichtstrahlen, die ein seitenverkehrtes, auf dem Kopf stehendes Bild auf die gegenüberliegende Wand projezieren. Dieses simple Konzept wurde in Mülheim durch einen drehbaren Spiegelkopf, einen kippbaren Spiegel und ein fokussierbares Objektiv deutlich aufgebrezelt. Zu festgelegten Zeiten wird das gesamte System durch fachkundiges Personal vorgeführt und ein Rundum-Schwenk über das westliche Ruhrgebiet erläutert.

In den vier unterhalb liegenden Ebenen des Wasserturms ist ein Museum zur Vorgeschichte des Films beheimatet. Camera Lucida, Schattenspiel, Guckkasten, Faltperspektiven, Anamorphose, Laterna Magica, Lithophanie, Niepce-Kamera, Thaumatrop, Phenakistikop, Zoetrop, Praxinoskop, Daumenkino, Mutoskop, Daguerreotypien


und - als vorläufig krönender Abschluss all dieser Schritte dahin - ein Filmprojektor warten auf interessierte Besucher. "Die Vielfalt der Techniken, mit denen die Menschen seit Jahrhunderten zunächst nur mit Licht und Schatten und später mit ausgeklügelten mechanischen Konstruktionen Bilder von ihrer Welt erzeugten und in Bewegung brachten, scheinen in der heutigen multimedialen Welt archaisch und wirken zugleich magisch." (Ausstellungskatalog "Camera Obscura", Klartext Verlag, Essen 2006)

Um nur einen Ausstellungsbereich mal exemplarisch hier etwas breiter vorzustellen: Zoetrope ...

... in der Übersicht


... im Stillstand


... und in Bewegung

2010-10-19

Wer nichts weiß, muss alles glauben

Unter diesem Titel trat die (nach eigenen Worten) "schärfste Science Boygroup der Milchstraße" im Neuen Theater in Frankfurt-Höchst heute auf. Zu dieser Gruppe, den Science Busters, gehören (von links) Heinz Oberhummer, emeritierter Professor für theoretische Physik, Martin Puntigam als Conférencier und Werner Gruber, Universitäts-Lektor für experimentelle Physik.


In einem überwiegend flotten Programm verstehen sie es, technisch-naturwissenschaftliche Inhalte unterhaltsam zu vermitteln. So wie hier beispielsweise mit einem auf C12 "potenzierten" homöopathischen Stroh-Rum ...


... oder hier, nachdem ein grüner Hochleistungslaser zwar einen roten Ballon zum Platzen brachte, den grünen Ballon hingegen "kalt" lässt.

2010-10-16

Gefährliche Muggles und coole Nerds

Nur nicht zu auffällig in belebten Innenstädten (wie z.B. Frankfurt) nach Caches suchen! Gerade wenn es sich nur um einen Nano- oder Micro-Caches handelt und ein Muggle sie findet und vernichtet, können nachfolgende Cacher manche Stunde mit einer vergeblichen Suche verbringen. Häh?

Heute nachmittag haben sich einige Mitglieder des internetbasierenden sozialen Forums, deren Regionalmoderator ich zu sein die Ehre habe, zu einer kleinen Einführung ins Geocaching zusammengefunden. Ein Mitglied schwärmte beim letzten Gruppentreffen so von seinem Hobby, dass wir es ermutigten, uns ebenfalls mit den Geheimnissen dieser Schnitzeljagd-Variante mit Hightech-Einsatz bekannt zu machen. Spätestens, als sich unserer Gruppe an der Paulskirche noch ein weiteres geocachendes Pärchen anschloss, war es mit dem unauffälligen Spähen nach versteckten Filmdöschen und anderen "Schatz"behältern vorbei und wir wurden von den Nicht-Geocache-Kundigen, den Muggles, schon etwas irritiert beäugt.

Nach überwiegend erfolgreicher Cache-Suche gönnte ich mir erstmals seit längerer Zeit einen Kinobesuch: "The Social Network", ein Film über den Aufstieg eines genialen Nerds zum jüngsten Selfmade-Milliardär der Geschichte. Mark Zuckerberg, der maßgebliche Gründer und Entwickler von facebook.com, wird in dem Film als egoistischer Soziopath dargestellt, der die wenigen seiner Freunde bei Bedarf wie nützliche Idioten aussehen lässt. Ein Film, der die durch facebook geförderte "Verluderung des Freundschaftsbegriffs durch seine Quantifizierung" (Zitat) schon im Handeln seiner Akteure vorwegnimmt. Ein Film aber auch, der aufzeigt, dass nicht alle dotcom-Blasen zerplatzt sind und mich in den Sequenzen, in denen die Programmierer im "Tunnel" versunken waren, an meine Erfahrungen vor vielen Jahren erinnerte, als ich mich abends mit einer kleinen Programmidee vor meinen Rechner setzte und erst durch das Läuten des Weckers gewahr wurde, dass die Stunden der Nacht verstrichen waren. Gesamturteil: sehenswert.

2010-10-14

GigaSaurier

Saurier, die im Erdmittelalter im Gebiet des heutigen Argentinien gelebt hatten, sind noch bis 2011-01-08 in Frankfurt zu sehen. Diese Sonderausstellung des Senckenbergmuseums ergänzt dessen Dauerausstellung, in der sonst nur Saurier der nördlichen Hemisphäre betrachtet werden können.



Nach dem Passieren eines Zeittunnels steht man im Trias-Raum einem der ältesten Dinosaurier, einem Lessemsaurus, gegenüber. Dieser Sauropode, also ein auf allen vier Beinen stehender Herbivor (Pflanzenfresser), ist einer der insgesamt 22 Saurierexponate dieser Ausstellung.


Neben Skelettrekonstruktionen sind einige der Saurier vollplastisch modelliert, so wie dieser Frenquellisaurus nach erfolgreicher Jagd vor ca. 220 Millionen Jahren.


In der Kreidezeit gab es die größte Artenvielfalt an Sauriern. Dazu gehören der hier ebenfalls ausgestellte Argentinosaurus mit seinen 40 Metern Länge und einem Gewicht von ca. 80 Tonnen, der als das größe jemals lebende Landwirbeltier gilt, sowie der (hier abgebildete) Giganotosaurus, der als carnivorer (fleischfressender) Saurier sogar noch größer als der Tyrannosaurus rex war.


Die ausgestellten Saurier sind samt und sonders Nachbauten oder Abgüsse freigelegter und restaurierter Knochen. Da komplette Skelette nur selten gefunden werden, haben die Paläontologen, die diese Ausstellung vorbereiteten, mitunter fehlende Knochen nachempfunden. Einige wenige Originalfunde von Sauriereiern, Hautabdrücken, Fußspuren oder Halswirbelknochen (wie hier die des Patagosaurus) lassen die Ausstellung trotzdem authentisch wirken.


Ein glücklicherweise nur zur vollen Stunde und auch nur für fünf Minuten einsetzendes Licht- und Sound-Gewitter soll ... ja, was eigentlich?

Da es auf den Kreidezeit-Saal beschränkt war, bot es mir zumindest die Gelegenheit, kurz vor seinem Einsetzen die Trias- und Jura-Säle menschenleer zu genießen.

Ein abschließender Vortrag zum Thema "Sauropode Dinosaurier - Riesenwuchs in Leichtbauweise" rundete diesen Gigasaurier-Tag ab. Ganz kurz zum Inhalt: eine "Pneumatisierung" der Wirbelkörper sorgte für einen Abbau mechanisch nicht belasteter Teile der Wirbelknochen und deren Ersatz mit Luftsäcken. Diese Gewichtsreduktion sorgte dafür, dass bei manchen Sauriern beispielsweise deren ursprünglich angenommenes Gewicht von 20 Tonnen auf 10 bis 12 Tonnen reduziert wurde.

Noch eine abschließende Bemerkung zur Bildungsferne und Religionsnähe der Besucher: viele Mütter begleiteten ihre Kinder durch diese Ausstellung. Keine von ihnen trug ein haupthaarverbergendes Kopftuch ...

2010-10-10

Buchmessesplitter 2010

Wie fast in jedem Jahr zog es mich auch heuer am Samstag zur Buchmesse. Während kurz nach 9 Uhr selbst die Agora, der zentrale Platz inmitten der Messehallen, fast menschenleer wirkte,


sollte sich dies bis zur Mittagszeit deutlich geändert haben.


Werden diese Kinder in wenigen Jahren nur noch ihre E-Books in ihren Händen halten?


Wie üblich begann meine Messe-Wanderung in Halle 4.2 mit ihrer wohltuenden Ruhe und Nüchternheit der dort ausstellenden wissenschaftlichen Verlage. In knappen Zeitfenstern präsentierten Autoren ihre Bücher


und Hocker luden zum Reinschmökern in die ausgestellten Bücher ein. Und wie jedes Jahr kehrte ich trotz meines Vorsatzes, mir keine Freiexemplare, Sonderdrucke oder sonstige Werbematerialien andrehen zu lassen, viel zu bepackt meinen Heimweg gegen 18:30 Uhr an.

2010-10-02

Über die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner

Die Säkularen Humanisten, die erste Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung, versuchen, gelegentlich ihre Stimme der Vernunft gegen Glauben und Aberglauben im Rhein-Main-Gebiet zu erheben. Ihre Mittel dazu: Vorträge, Podiumsdiskussionen und, erstmals gestern Abend, eine Filmvorführung: Die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner.

Karlheinz Deschner gilt manchen als einflussreichster lebender deutschsprachiger Kirchenkritiker. Seit Jahrzehnten trägt er auf hohem wissenschaftlichen Niveau Materialien zur Geschichte des Christentum zusammen und verknüpft sie wortgewaltig miteinander. Der kurz vor der Vollendung stehende und abschliessende zehnte Band war einer der Gründe, den Film mit dem Untertitel "'Kriminalgeschichte des Christentums' im Kreuzfeuer" vorzuführen.

Wir waren über das Publikumsinteresse angenehm überrascht,


zumal dieser Film einerseits im WWW abrufbar ist und andererseits bereits vor 12 Jahren fertiggestellt worden war. Die Filmmacherin, Ricarda Hinz, stellte den Film einleitend kurz vor und abschließend sich den Fragen des Publikums.


"Der Titel des Films sollte bewusst etwas provozieren; er ist ja ein Zitat aus dem Film. Wir nahmen in Kauf, zunächst vielleicht irreführende Erwartungen zu wecken. Karlheinz Deschner war damit jedenfalls sehr zufrieden." So Ricarda Hinz auf meine Frage nach der Titelwahl.

Wie bei fast jeder Veranstaltung der Säkularen Humanisten ...

... war auch diesmal wieder der Alibri-Verlag mit einer Auswahl themennaher Bücher vertreten ...


... und klang der Abend im Restaurant des Bürgerhauses aus.