2012-04-14

Magische Orte

Unter diesem Titel werden derzeit im Gasometer Oberhausen neben Repliken kulturhistorischer Artefakte großformatige Fotos von Natur- und Kulturschätzen unserer Erde gezeigt.


Ein Großteil der UNESCO-Welterbestätten ist somit hier zumindest als Abbild zu bewundern. Nur zwei Beispiele: eine Kristallhöhle unterhalb der Wüste von Chihuahua in Nordmexiko und ...


... der Mount Kailash, ein "heiliger" Berg in Tibet, der noch nie nachweislich bestiegen wurde.

Landkartiges

Einige Tipps für Kartographie-Fans:

1.) die neugestaltete Mercator-Ausstellung im Kultur- und Stadhistorischem Museum Duisburg. Gerhard Mercator verbrachte seine letzten vier Lebensjahrzehnte an der hiesigen Universität. Berühmt wurde er durch seine Kartenwerke, die Entwicklung der nach ihm benannten winkeltreuen Projektion und seine Weltgloben.

Die "Schatzkammer" des Museums, ...


... einer der Mercator-Globen und ...


... ein Kartenausschnitt der Region rund um Frankfurt, gezeichnet von Mercator um 1585.


2.) "Strange Maps", eine Sammlung kurioser Karten. Unterhaltsam und lehrreich.

3.) "Transit Maps of the World". eine komplette Zusammenstellung aller S-Bahn- und Metrolinienpläne dieser Erde. Interessant ist die Entwicklung ausgehend von Straßenplänen, in die die ersten Linien als Überdruck eingefügt wurden, über eine zunehmende Abstraktion bis hin zu den modern anmutenden Plänen, in denen die Haltestellen häufig äquidistant und die Linienverläufe nur senkrecht, waagrecht und in 45°-Winkeln gezeichnet sind.

2012-04-13

Legoland Discovery Center

Das Kind im Manne und eine latente Lego-Sympathie erzwangen heute einen Besuch im Legoland Discovery Center am Duisburger Innenhafen.
Kurz hinter dem Eingangsbereich sind im "Miniland" einige Landmarken des Ruhrgebiets als Modelle nachgebaut: Teile des Duisburger Hafens ...
... mit Hafenkränen, ...
... der markante Förderturm und einige Wirtschaftsgebäude der Essener Zeche Zollverein und ...
... der Oberhausener Gasometer.
Die weiteren Attraktionen wie die Drachenburg (eine liebevolle Geisterbahn), die Dschungel-Expedition (zum Selbsterwandern) oder der Prinzessinnenpalast sprechen eher die jüngeren Besucher an. Nett war das 4D-Kino (mit Dampf und Wasserspritzern), während die Lego-Fabrik ein müder dysfunktionaler Abklatsch der Produktion im Legoland Günzburg war. Nach dem Passieren des überdimensionalen Einstein-Portraits ...
... endete der Besuch zwangsweise im - na wo wohl? - Lego-Shop.

2012-04-11

Navigare necesse est

"Seefahren ist notwendig", unter diesem Motto befuhren bereits die römischen Besatzungstruppen die Flüsse Germaniens. Mit ihren Plattbodenschiffen (und einigen vorgeschichtlichen Einbäumen) beginnen die Exponate im Museum der deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg-Ruhrort.

In zwei benachbarten ehemaligen Hallenbädern ist die Geschichte des Bootsbaus und der Binnenhäfen nachzuempfinden. In niedlichen Modellen wird so beispielsweise der Alltag auf einer Holzschiffsbau-Werft gezeigt.


Über mittelalterliche Transporttechniken wie Segeln oder Treideln führen die Etagen des Museums über die Dampf-, Schlepp- und Schubschifffahrt langsam bis in die Neuzeit. Stückgutumschlag in der Vor-Container-Zeit: mit Sackkarren und ...


... Ölfasseinzeltransport.


Über solche eine hydraulische Kohlenkipperanlage konnten um 1890 Kohlewaggons relativ einfach in Frachtschiffe entleert werden, ...


... während der Waggontransport zwischen Duisburg-Ruhrort und Homberg bis zum Bau einer Eisenbahnbrücke über den Rhein etwas mühsam war. Jeder einzelne Waggon musste in solch einer "Trajektanstalt" mit einer Hebevorrichtung auf die Fähre gesenkt werden und am entgegengesetzten Ufer entsprechend wieder auf das Gleisniveau angehoben werden.


Themenbezogene Literatur liegt ebenfalls bereit. Der Leitfaden für den Steuermann und ...


... Auf dem Rhein gebräuchliche Zeichen und Lichter.


Im Becken des ehemaligen Herrenbades ist mit der Goede Verwachting ein Skutsje, ein friesisches Binnenschiff, aufgestellt. Einmal von oben und ...


... einmal von unten.


Wer bis jetzt immer noch zweifelt, dass wir uns in einem ehemaligen Hallenbad befinden, wird durch diese Seifenmulden hoffentlich bekehrt.


Zum Abschluss noch etwas Rhein-Romantik-Nippes:

2012-04-10

Alte Synagoge Essen

Als 1913 die Essener Synagoge eingeweiht wurde, galt sie als die größte Deutschlands. Damals konnte man noch nicht ahnen, dass sie nur ein Vierteljahrhundert lang, bis zur Reichspogromnacht 1938-11-09, als Kultusstätte genutzt werden sollte.


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der in diesem Holzmodell noch vorhandene Vorhof abgetragen, das Gebäude stand lange Zeit leer.


Nachdem 18 Jahre lang eine Designausstellung in dem Gebäude untergebracht war, wurde die Alte Synagoge 1980 zu einer Gedenkstätte und einem "Haus jüdischer Kultur" umgewidmet.


Auf der ehemaligen Frauenempore werden jüdische Rituale durch Objekte in einzelnen Vitrinen vorgestellt.


So soll der Koscher-Kompass immer in Richtung Jerusalem zeigen, der Richtung der täglichen Gebete, und ...


... den Einsatz dieses Beschneidungsmessers mag ich mir lieber garnicht vorstellen.


Im "Grünen Raum" der Empore wird der "Jewish way of life" mit Musik, Tanz, Film und Kleidung gezeigt. Dazu gehört auch die strenge Trennung, auch durch Farbcodes, von Küchenutensilien je nach bearbeiteten Lebensmitteln: "milchig" (blau), "fleischig" (rot) und "parve" (grün, für Lebensmittel, die weder Fleisch- noch Milchprodukte enthalten).


Gut zu wissen, dass keines der Küchenutensilien dagegen mit diesen nicht-koscheren ("treife") Lebensmitteln in Kontakt kommt: Katze, Echse oder Gummibärchen.


Schluss mit lustig. Die Alte Synagoge ist auch eine Gedenkstätte. Rund 2500 Essener Juden sind während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet worden. Zur Erinnerung an rund 400 von ihnen ist ihr Leben in Gedenkurkunden beschrieben worden. In einer Nische im Erdgeschoss der Synagoge ...


... sind die Urkunden zu lesen. Urkunden wie diese:

2012-04-08

Mythos Krupp

In der ehemaligen Kohlenwäsche der Zeche Zollverein, selber eine Weltkulturerbestätte, ...

wurde vor neun Tagen eine Sonderausstellung zum Mythos Krupp eröffnet. Formaler Anlass ist das 200. Jubiläum der Gründung der Gussstahlfabrik Fried. Krupp (1811-11-20) oder, mindestens ebenso bedeutsam, ein halbes Jahr später der Geburtstag des Sohnes des Gründers, nämlich Alfred Krupp, 1812-04-26. Erst mit Alfred Krupp wurde die Firma zu ihrer späteren Bedeutung geführt und wurde während des Krieges 1870/71 zur führenden Waffenschmiede des Reiches.

Ein aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbarer Stolz auf die todbringenden Waffen spiegelte sich in Ansichtskarten, ...


... wurde allerdings auch in Satireblätter kritisch-karikierend aufgegriffen. In dieser Ausgabe des Wahren Jacob wird der Unterschied zwischen der Großwaffenproduktion von Krupp und der Kleinwaffenproduktion von Anarchisten gesucht.


Die bedeutendste Erfindung, die Alfred Krupp gelang, war die Entwicklung des nahtlosen Eisenbahnreifens. Drei übereinanderliegende Radreifen bilden auch heute noch, nach der Fusion zu ThyssenKrupp, einen Teil des Firmenlogos (hier: alte Firmenschilder).


Einen entsprechenden Platz nehmen die Radreifen in der Ausstellung ein. Zunächst als halbfertiges Produkt, dem sein Auswalzen noch bevorsteht, ...


... als fertiger Radsatz und ...


... als Spezialanfertigung für eine Wellenradbahn, eine Variante einer Zahnradbahn.


Vielleicht sollte ich auch deshalb eine besondere Beziehung zu den Krupps haben, weil ich acht Jahre meines frühen Lebens in einer nach Alfred Krupp benannten Schule gelernt habe.


Mein Fazit: wer mehr über die Firmen- und Familiengeschichte Krupp sehen und erfahren möchte, als es die Dauerausstellung in der ersten Etage der Villa Hügel bietet, sei diese Ausstellung anempfohlen.

PS: Wellenradbahn? Späßle gemacht ... in Wirklichkeit wurde das Speichenrad "geprobt", also bewusst Belastungen ausgesetzt, um zu zeigen, dass es sich zwar verbiegt, aber nicht bricht.

2012-04-07

Voll Grass

Nach der Veröffentlichung des Gedichtes von Günter Grass "Was gesagt werden muss" ist ein Sturm der Entrüstung über den Autor hereingebrochen. In dem Gedicht thematisiert er in einer eher abwägenden und sowohl Israel wie auch den Iran kritisierenden Weise den drohenden Krieg im Nahen Osten. Im scharfen Kontrast zu seinem Friedensappell stehen die Reaktionen dazu. Anstatt sich inhaltlich mit seinem Gedicht auseinanderzusetzen werden vielfach erbärmliche ad hominem-Attacken geritten. "Du bleibst SS-Mann" (Rolf Hochhuth), der "Blechtrommelspieler (lasse uns) die gleiche antisemitische Musik (wie von Hitler) hören" (Beate Klarsfeld), Grass habe sein Flakhelfer-Syndrom noch nicht verarbeitet. Allein aus solchen formalen Gründen erscheint die einseitige Kritik an seiner Person intellektuell um Stufen niedriger angesiedelt als Grass' nur zu berechtigter Friedensaufruf an alle Menschen "in dieser vom Wahn okkupierten Region".

2012-04-06

Gedanken zu diesem Tage

Ist eine Fahrradtour des ADFC Hochtaunus eine sportliche Veranstaltung?

Seit vielen Jahren besteht die Tradition, am Karfreitag Fahrradsternfahrten aus dem Rhein-Main-Gebiet zur Basilika nach Ilbenstadt anzubieten. Für viele der Teilnehmer bedeutet dieser Beginn der Radelsaison gleichzeitig ein erstes Wiedersehen mit vertrauten Mitradlern nach der Winterpause. Wenn allerdings diese Ilbenstadt-Radtour als sportliche Veranstaltung betrachtet wird, ist sie illegal.

Das vor über vierzig Jahren verabschiedete Hessische Feiertagsgesetz verbietet jegliche sportliche Veranstaltung am Karfreitag. Öffentliche Tanzveranstaltungen sind darin ebenso verboten wie Jahrmärkte, "wenn sie nicht den diesen Feiertagen entsprechenden ernsten Charakter tragen".

Leben wir eigentlich immer noch in einer Zeit, in der unser - eigentlich säkularer - Staat die Interessen von Märchenvereinen, pardon: Kirchen über das Selbstbestimmungsrecht seiner Bürger stellt? Mit welcher Begründung wird dem nicht konfessionell gebundenen Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung diese Einschränkung der persönlichen Freiheit aufgezwungen? Fragen, die zunehmend auch nach gerichtlichen Antworten in unserer zunehmend laizistisch werdenden Gesellschaft verlangen. Wohlgemerkt: wer will, soll sich - und nur sich - gerne am Karfreitag in der von ihm so empfundenen Nachfolge Jesu selbst kasteien und stundenlang bepeitschen, in stiller Meditation dem Mysterium des Glaubens nahekommen - oder öffentlich tanzen oder radfahren.

2012-04-05

Kunst in Schräge und Quadrat

Heute stand das Kunstmuseum Gelsenkirchen auf unserem Programm.



Die Besonderheit dieses Museums ist sein Schwerpunkt auf kinetischer Kunst. Bewegte Objekte, Lichtspielereien und Klangobjekte, die man teilweise selber in Aktion setzt, ...


... sind neben eher streng geometrischen Objekten von Anton Stankowksi (hier: Mathematische Felder) und ...


... Alfons Kunen (hier: Hyperbolische Parabolide) zu sehen.


Diese eher formal konstruierten Werke passen meiner Ansicht nach sehr gut zu einer eher von Industrie geprägten Stadt wie Gelsenkirchen. Dass darüber hinaus - trotz der bekannt klammen Finanzlage der Ruhrgebietsstädte - der Eintritt ins Museum kostenlos ist, verdient besonderen Respekt.

Ziemlich unkonventionell geht es dagegen bei der Schreibweise des Museum's Caffee daher ...

2012-04-04

Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg

Unter diesem Untertitel ist in dem ehemaligen Werkstattgebäude der Zeche Zollern derzeit eine Ausstellung über Zwangsarbeit während der Nazi-Diktatur zu sehen.


Schätzungen zufolge waren in Deutschland und den besetzten Gebieten ca. 20 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Aus dem Ausstellungsflyer: "Die in der Ausstellung präsentierten historischen Exponate und Fotografien ermöglichen es, das rassistisch definierte Verhältnis zwischen Deutschen und Zwangsarbeitern auszuloten - mit allen Handlungsspielräumen, die sich den Menschen boten. Und sie zeigen, dass die Zwangsarbeit von Beginn an Teil der rassistischen Gesellschaftsordnung des NS-Staates war: Die propagierte 'Volksgemeinschaft' und die Zwangsarbeit der Ausgeschlossenen - beides gehörte zusammen."

Um Ansprüche auf "Lebensraum" im Osten zu rechtfertigen, wurden auf solchen Karten angebliche Grenzen des mittelalterlichen deutschen Rechts (gestrichelt) und der deutschen Verkehrssprache im Handel (gepunktet) eingetragen. Das Recht zur Vertreibung der ansässigen Bevölkerung oder zur Ausbeutung als Arbeitsvolk wurde aus solchen Linien herausgelesen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Pochen auf historische Gebietsansprüche zwischen Völkern ein friedvolles Miteinander zur Folge hatte.


Wie wichtig informationelle Selbstbestimmung und das Recht am eigenen Bild ist, belegen solche Auszüge aus dem nationalsozialischen Hetzblatt Der Stürmer. Fotos und Namen von Kunden jüdischer Geschäfte wurden abgedruckt, um sie als "Volksverräter" an den Pranger zu stellen.


Dieses Album wurde 1942 für den Chef der deutschen Verwaltung des Ghettos Litzmannstadt erstellt, um die Produktivität der Insassen zu belegen. Bei fehlender Arbeit drohte Arbeitslosigkeit und damit die Deportation in Vernichtungslager. Arbeit wurde überlebenswichtig.


Erst 55 Jahre nach Kriegsende wurden Zwangsarbeiter erstmals als NS-Opfer anerkannt und die wenigen Überlebenden symbolisch entschädigt. Solch eine Ausstellung hilft, die Entwürdigung von Menschen durch Verbrechen, die ansonsten nicht im Fokus der Aufarbeitung nationalsozialistischen Terrors stehen, zu bedenken und (hoffentlich!) zukünftig zu vermeiden.