2011-05-31

Flugvorbereitende Schikanen

Zu den Besonderheiten des isländischen Tankstellenwesens gehört, dass man zwar an (fast) allen Zapfsäulen direkt mit seiner Kreditkarte bezahlen kann, allerdings dazu auch eine PIN benötigt. Da ich bisher außerhalb dieser Insel solch eine PIN noch nie benötigte, hatte ich sie selbstverständlich auch nicht parat. Bei meinem bisherigen Tanken konnten die Tankwarte von ihrem Kassenhäuschen aus diese PIN-Erzwingung deaktivieren. Anders heute. Ich wollte meinen Mietwagen vollgetankt zurückgeben. Allerdings gestaltete sich dies etwas schwierig. Angefangen von einer Tankstelle direkt am Flughafen über weitere Tankstellen in Kevlavik hatte ich erst bei der vierten Erfolg. Mein eigentlich großzügig bemessenes Zeitpolster schwand dahin wie isländisches Gletschereis unter der Augustsonne.

Die Security Checks hatte ich auch noch nie so nervend wie heute empfunden. Jacke und Weste ablegen, die Hosentaschen leeren und eine Ganzkörperabtastung über sich ergehen lassen sind ja schon vertraute Maßnahmen. Dass heute allerdings auch noch alle Passagiere ihre Schuhe ausziehen und durchleuchten lassen mussten, ich sogar meinen Hosenträger abgeben musste und diese Maßnahmen in weiten Teilen zweimal an mir durchgeführt wurden, war einfach lästig.

Immerhin, ich habe es in die USA geschafft. Der Temperaturanstieg von sehr isländisch-erfrischenden 8 Grad C, verbunden mit einer steifen Brise, auf ca. 27 Grad C in NYC, verbunden mit einer schwül-stehenden Luft, ist schon eine interessante Erfahrung ...

Nachbereitungen

Einige der Routenverläufe der vergangenen Tage lassen sich jetzt abrufen: die Aschesuche, die Hitzesuche und die Westsuche. Insgesamt haben mein Mietwagen und ich in den vier Tagen 1885 km zurückgelegt.

Den heutigen Vormittag habe ich in der "Perlar" (Perle) verbracht. Über Reykjavik thronen vier Tanks, in denen heißes Wasser zur Wärmeversorgung der Hauptstadt gelagert war.

In einem der Tanks ist in der Zwischenzeit ein Saga-Museum eingerichtet worden, in dem in lebensgroßen und -echten Darstellungen siebzehn Szenen aus der Geschichte Islands nachgestellt sind. Für die kulturbeflissenen Betrachter sind Dichter und Denker zu sehen, ...

... für andere dagegen Ränkespiele, Händel und Mordbuben.

Von der Dachterrasse geht der Blick weit über die Dächer Reykjaviks hinaus.

2011-05-30

Isländische Besonderheiten


Island ist ein wohlhabender Staat. Armut oder große soziale Gegensätze sind mir - soweit sich dies einem durchreisenden Touristen überhaupt erschließt - nicht aufgefallen. Die Straßen sind (fast) ausnahmslos in einem sehr guten Zustand und erlauben eine zügige Fahrt.

Es bleiben nur Kleinigkeiten, die mir auffielen. Eine betrifft die Sprache, das Isländische. Hier wird ein Sprachpurismus gepflegt, der an die Bemühungen der Académie française für eine Reinheit des Französischen erinnert. Fremdworte werden möglichst ins Isländische übertragen, Anglizismen sind unüblich. Und dies, obwohl der weitaus größte Teil der Bevölkerung ein gutes Englisch spricht. Ich habe es nur einmal erlebt, dass ich auf ein unangekündigtes Ansprechen auf Englisch eine mit unzulänglichen Fremdsprachenkenntnissen vertröstende Antwort erhielt.

Das Schriftbild entspricht nicht direkt dem uns Germanen vertrauten Lautbild. "ll" wird wie [tl] ausgesprochen, "u" häufig wie ein kurzes [ö], "Eyjafjallajökull" (wörtlich übersetzt Inselberggletscher) daher [eijafjatlajökötl]. Ins Auge fallen sofort die Sonderbuchstaben des Isländischen. þ (als Großbuchstabe Þ) wird wie ein stimmloses englisches th, ð (Ð) wie ein stimmhaftes th ausgesprochen. Neben dem a (A) gibt es das æ (Æ), das bei der Entwicklung unserer deutschen Umlautzeichen aus einem "ae" zu einem "ä" noch in der Zwischenstufe einer Ligatur stecken geblieben ist. Das i (I) wird eher wie ein [ä], das í (Í) dagegen wie ein [i] ausgesprochen. Usw. usw. usw.

Eine weitere Besonderheit sind die Öffnungszeiten vieler Einzelhandelsgeschäfte. Häufig wird erst um 11:00 Uhr geöffnet, Filialen einer Lebensmittelsupermarkt-Kette, die in fast jeder Stadt in Island anzutreffen sind, öffnen montags bis donnerstags erst um 12:00 Uhr. Meine Frage nach dem Grund dieser späten Ladenöffnung wurde von einem Bonus-Mitarbeiter damit beantwortet, dass man die Zeit davor bräuchte, um die Regale aufzufüllen ...

2011-05-29

Go West!

Mein heutiges Ziel: Westisland. Noch konkreter: der Westen Westislands. Noch konkreter: die Halbinsel Snæfellsnes.

Die Anreise von Reykjavik aus kürze ich um gut 50 km ab, indem ich mir die Fahrt durch den knapp 6 km langen Straßentunnel unter dem Hvalfjöður 9000 Isländische Kronen (ca. 6 €) Maut kosten lasse und dafür mit meinen Mietwagen 165 Meter unter den Meeresspiegel absinke.

Über weite Strecken geht meine Fahrt über eine Küstenebene, die ich nach den Mittelgebirgserfahrungen der vergangenen Tage kaum noch erwartet habe. Bei Buðir, nach ungefähr 2/3 meiner Strecke zum Westende der Halbinsel, sind die nachfolgenden drei Fotos entstanden, die die Vielgestaltigkeit der Landschaft dokumentieren:

Nach Nordosten türmen sich hinter der Küstenebene die Massive des Helgrindur auf.

Nach Westen ist hinter dem Lavafeld des Buðahraun die Schneekuppe des Snæfellsjökull zu erahnen.

Und nach Norden werden die Schmelzwasser des Mælifells über den Wasserfall des Bjanarfoss von der Hochebene abgeleitet.

Wenige Kilometer weiter westlich erinnert eine Bronzestatue an die Frau, die der Sage nach das erste europäische Kind in Amerika zur Welt gebracht haben soll.

Zwei Felsformationen (Þufubjarg und Longrangar) sind mit ihrer Höhe von bis zu 75 Metern wahrscheinlich Schlote unterseeischer Vulkane gewesen, die den Erosionskräften bisher widerstehen konnten.

Fast ... habe ich den westlichsten Zipfel Europas erreicht. Naja, zumindest den westlichsten Zipfel Westislands, Öndverðarnes. Geht es denn noch weiter westlich? Ja. In den Westfjorden, die im Nordwesten Islands liegen, ist mit Latrabjarg der definitiv westlichste Punkt Europas zu finden, der noch 24 km Luftlinie weiter in Richtung Nordamerika reicht. Aber weder meine Zeit noch mein Ehrgeiz reichten, um dieses Ziel abzuhaken.

Die letzten Kilometer waren ohnehin schon beschwerlich genug. Durch ausgedehnte Lavafelder schlängelte sich die Schotterpiste. Diese Aufnahme zeigt noch einen überschaubaren Teil der Straße ...

Schon wieder auf der Heimfahrt, diesmal auf der Nordseite der Halbinsel Snæfellsnes, lud direkt am Hafen von Ólafsvík ...

... ein ehemaliges Lager- und Warenhaus, das in ein Lokalmuseum umgewidmet wurde, zu einer kleinen Besichtigung ein. Eine Küche, ...

... eine Sammlung von Seemannsgedöns ...

... und ein Warenlager erinnern an vergangene Zeiten.

2011-05-28

Ein heißes Thema

Wer von uns kennt nicht dieses Erlebnis?

Eine Spannung, die sich langsam aufgebaut hat und nun zur befreienden Entladung drängt. Nach dem Überschreiten des Point of no Return ist eine explosionsartige Entspannung unvermeidbar, alles drängt zum Ausbruch. Lässt sich dieser Moment überhaupt in einem Bild fassen?

Naja, beispielsweise so:


Ein Geysir Sekundenbruchteile vor seiner Eruption.

Der heutige Tag war schwerpunktmäßig einem heißen Thema gewidmet, nämlich der Geothermie in allen möglichen Facetten in Island. Formal habe ich dazu Straßen befahren, die als Goldener Zirkel bekannt sind und die Region östlich von Reykjavik erschließen.

Mein erstes Tagesziel war das größte Geothermal-Kraftwerk Islands in der Hellisheiði-Hochebene. Nach seinem Endausbau 2015 soll es neben einer elektrischen Leistung von 300 MW Heißwasser zur Versorgung der Hauptstadt mit einer Leistung von 400 MW liefern.

Da die Jahresdurchschnittstemperatur um 5 Grad C liegt, müssen die Wohnhäuser praktisch das gesamte Jahr über geheizt werden. Obwohl der Pro-Kopf-Energie-Verbrauch Islands damit einer der weltweit höchsten ist, werden fossile Brennstoffe ausschließlich für die Fischereiflotte und den Straßen- und Flugverkehr (Eisenbahnen gibt es auf Island nicht) genutzt. 72% der Primärenergie stammt aus erneuerbaren Energien wie Erdwärme und Wasserkraft. Damit nimmt Island eine weltweite Spitzenstellung noch vor Ländern wie Norwegen, Neuseeland oder Kanada ein.


Unter solchen Iglus befindet sich jeweils ein Bohrloch von bis zu 2000 Metern Tiefe, aus dem Heißdampf austritt ...
(hier als Video)

... und über ein Geflecht von Druckleitungen zum zentralen Kraftwerk geleitet wird.

Dort sorgen Dampfabscheider und Wärmetauscher für eine Aufbereitung ...

... und solche Turbinen mit nachgeschalteten Generatoren für die Stromproduktion.
Der allgegenwärtige Duft von Schwefelwasserstoff ist in solch einer Webpräsentation leider nicht vermittelbar ...

In diesem Funktionsschaubild wird der gesamte Ablauf halbwegs anschaulich präsentiert.

Mein nächstes Ziel ist Hveragerði. Eine Stadt, die den zweifelhaften Ruf hat, als einzige in Europa bewusst inmitten eines geothermisch aktiven Areals gegründet worden zu sein. Hier der wenig prosaisch klingende "Heiße Quellbach des Bohrlochs HS08".

Er speist einen Teich, in dem warme Schlammpackungen und Fußbäder angeboten werden.

Die Erdwärme wird hier genutzt, um beispielsweise Brot zu backen, Eier zu kochen,

Freibäder zu heizen oder Gewächshäuser zu betreiben.

Immer wieder brechen neue Quellgebiete auf, so wie dieses Areal nach einem Erdbeben 2008.

Auch solche kleineren Vorkommen werden aufgefangen und genutzt.

Mein nächstes Ziel: Kerið. Es handelt sich hierbei nicht um einen Eruptiv-Krater, sondern um einen Einbruchskrater nach einem unterirdischen Abfließen einer Magma-Blase.

Mein Weg führt mich weiter nach Skalholt. Von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stand Skalholt im Brennpunkt des geistlichen Lebens und war Zentrum für Kultur und Bildung in Island.

Wenn man die Abgeschiedenheit dieses Ortes heute sieht, kann man sich nur noch schwer vorstellen, dass es dereinst der dichtestbesiedelte Ort Islands war.

Ein Blick ins Kirchenschiff mit einem Steinmosaik als Altarbild.

Einige Kilometer weiter ist der Gullfoss die nächste Attraktion. Von der oberhalb liegenden Abbruchkante nimmt man zunächst nur eine Kaskade war.

Erst durch einen Abstieg sieht man die zweite Kaskade, ...

... deren Wasser sich in eine 70 Meter tiefe Schlucht ergießt.
(und als Video)

Weiter ... Der Thingvellir gilt als der geschichtsträchtigste Ort Islands. 930 wurde hier das erste Parlament der Insel gegründet, das an dieser Stelle bis 1798 zusammentrat. 1944 wurde hier die Unabhängigkeit des Inselstaats verkündet.

Mein Weg führte mich schließlich nach Geysir, dem Ort, der Taufpate für alle Geysire dieser Erde stand. Von kleinen sprudelnden Quellen ...

über heißen, dampfbeschwadeten Teichen und Fumarolen brodelt und zischelt es hier allerorten.

Achja, wollen wir die Spannung des Anfangs dieses Berichtes lösen? So sieht ein Geysir im Moment seiner Entspannung aus ...
(als Video [bitte mit etwas Geduld wappnen])

2011-05-27

Museumstag

Nachdem der gestrige Wetterbericht den heutigen als den regenreichsten der bevorstehenden drei Tage verkündet hatte, habe ich für heute eher in-house-Aktivitäten vorgesehen, Aktivitäten wie Museumsbesuche in der isländischen Hauptstadt.

Mein erstes Ziel: Þjóðminjasafn Íslands, auch bekannt als das Isländische Nationalmuseum. Das Sammelgebiet ist relativ überschaubar: Island wurde erst vor ca. 1200 Jahren von Menschen besiedelt. Aus der Frühzeit (ungefähr um 1000 n.u.Z.) stammt diese nur wenige Zentimeter hohe Statuette, von der nicht ganz klar ist, ob sie einen sitzenden Thor oder einen Christus darstellen soll.

Eher trockene Fakten werden in den einzelnen Epochenbereichen des Museums multimedial aufbereitet präsentiert. Hier wird beispielsweise an Infobildschirmen vorgestellt, dass nach Untersuchungen an der mitochondrialen DNA, die bekanntlich nur in der weiblichen Linie vererbt wird, und am Y-Chromosom, das bekanntlich nur in der männlichen Linie übertragen wird, ca. 80% aller heute lebenden Isländer von Skandinaviern abstammt, aber ca. 62% aller Isländerinnen von Bewohnern der britischen und irischen Insel. Als weiterer Beleg für die Verkehrsfreudigkeit der frühen Siedler darf auch die Meldung gelten, die vor ca. sechs Monaten durch die Presse ging und nach der man heutzutage bei ca. 350 Isländern Spuren indianischer Genome ermittelte, die vor ca. 1000 Jahren eingeflossen sind ...


Ein schönes Beispiel für eine normannisch-isländische Kultur ist diese ca. 900 Jahre alte Kirchentür von Valþjófsstaður, die in ihrer oberen Rundschnitzerei eine mittelalterliche Sage wiedergibt: Ein Ritter tötet einen Drachen, der seinerseits gerade dabei ist, einen Löwen zu erlegen. Aus Dankbarkeit begleitet der Löwe seinen Retter, bis er - zum dritten Mal auftretend - am Grabe des Ritters dessen Tod betrauert.

Die wechselvolle Geschichte Islands von der frühen Häuptlingsherrschaft über die Zeit unter norwegischen, später dänischen Königen bis hin zur Ausrufung der Unabhängigkeit 1944 wird in einzelnen Epochen dargestellt. So sah beispielsweise um 1850 ein typischer Arbeits- und Aufenthaltsraum aus.

Neben der permanenten Ausstellung unter dem Thema "Eine Nation entsteht" sind zwei Wechselausstellungen zu sehen: eine widmet sich dekorativem Schnitzwerk in Holz und Horn,

eine andere dem Wert geflickter und reparierter Alltagsgegenstände. Ich darf also noch hoffen, dass auch meine Jeans dereinst mal musealen Wert erlangen ...

Die Dauerausstellung endet ganz aktuell im Hier und Jetzt mit Fernsehern, auf denen das aktuelle Fernsehprogramm zu sehen ist. So wie hier eine Live-Übertragung aus dem isländischen Parlament, dem Althing.

Wie überschaubar solch eine kleine Inselrepublik ist, belegt, dass mein anschließender Spaziergang durch die Reykjaviker Innenstadt mich an jenem Althing-Gebäude vorbei führte.
Wenn es überhaupt zu Demonstrationen in Reykjavik kommt (so wie zuletzt vor ca. zwei Jahren), finden sie vor diesem Parlamentsgebäude statt. Sympathisch, dass die politische Kultur hierzulande ohne ein Verschanzen vor den Bürgern auskommt, ohne dauerhafte Polizeipräsenz im Eingangsbereich und ohne erkennbare Sicherheitsmaßnahmen.

Überhaupt scheint hier schon im Kindergartenalter das Demonstrieren geübt zu werden (wie hier auf dem Platz zwischen Veltus und Athalstraeti):

Die isländische Bürgergesellschaft scheint relativ aufgeklärt und gemeinwohlorientiert zu sein. Es sind zwar nur Kleinigkeiten, aber in der Summe sprechen sie für eine nachahmenswerte Kultur. Die öffentlichen Toiletten sind, obwohl nur einfach verputzt, nicht mit Graffiti oder Kritzeleien besudelt und die Einkaufswagen in den Supermärkten und die Schließfächer in den Museen sind ohne Münzpfand nutzbar.

Mein Weg führt mich zum nächsten Museum, dem Reyjavik Art Museum. Wem der Weg zum Ungerer-Museum in Strasbourg zu weit sein sollte, kann derzeit hier in Reyjavik eine kleine und feine Auswahl der Werke des elsässischen Künstler goutieren.

Ein Querschnitt durch sein Oeuvre, sein Lebenswerk, beginnt mit Zeichnungen zu seinen frühen "lieben" Kinderbildern, ...

... über seine leicht verstörenden Kinderbilder ...

... bis hin zu seinen politisch bissigen Postern und seinen Fornicon-Zeichnungen.

Wenn dem Regen im wahren Leben doch auch so einfach beizukommen wäre ...

So bleiben nur schnelle, eher hastige Schritte durch die regennasse Altstadt ...

... und ein kurzer Blick auf den Hafen der Hauptstadt, bevor mein Weg mich wieder ins Hotelzimmer führt.