2011-03-27

Die Grüne Wende

Stellen Sie sich vor, das Unwahrscheinliche geschieht:

Wegen einer überraschenden Umweltkatastrophe - hier ein schwerer Störfall im Kernkraftwerk Stade - kippt das Bonner Gleichgewicht um. "In einem Zustand demokratischer Umnachtung" ([CDU-Generalsekretär]) wählen 47,2 Prozent aller Bundesbürger die Grünen, die mit absoluter Mehrheit die Regierungsgewalt übernehmen. Schon die ersten Kommentare zum Wahlergebnis - " Wir stehen an der Pforte zu einem grünen Saustall!" ([CSU-Vorsitzender]) - "Ohne unser Know-how sehe ich schwarz!" ([SPD-Vorsitzender]) - "Die F.D.P. war immer der Garant demokratischer Freiheit - was nun, so frage ich Sie?" ([FDP-Generalsekretär]) - lassen heiße Zeiten im Bundeshaus erwarten ...


So beginnt in dem Buch, das ich gerade aus meiner Bibliothek hervor geholt habe, eine satirische Vision zu den Geschehnissen um eine Wahl im Jahr 1987. Was in dem 1985 erschienen Buch noch als spinnerte, unrealistische Persiflage gemeint war, scheint mit dem heutigen Wahlergebnis in Baden-Württemberg größtenteils Realität geworden zu sein ...

2011-03-18

Über die Realität ... hinaus

In diesen Wochen lädt die Frankfurter Kulturschirn zu einer Ausstellung zu Surrealen Dingen ein. Wer den Mut aufbringt, die Realität zu verlassen und in die Sur-Realität einzutreten,


wird mit einer exquisiten Sammlung von Objekten belohnt. Dazu gehören Werke von Man Ray (Das Rätsel von Isidore Ducasse, 1920),


Hans Bellmer (Die halbe Puppe, 1971),


Rene Iche (Pseudo-Totenmaske von Andre Breton, um 1950) oder


Kurt Seligmann (Zwei Köpfe, 1931).


Mit dieser Ausstellung werden (laut Ausstellungsbeschreibung) erstmals dreidimensionale Objekte des Surrealismus umfassend präsentiert. In den formalen Grenzbereich zu flächigen Objekten gehört das Gemälde des Surrealistischen Schranks (Marcel Jean, 1941).


Einen eher spielerischen Zugang zu den Objekten bietet ein Quartettspiel. 32 der insgesamt 180 Exponate lassen ein Wetteifern um Kriterien wie den "S-Faktor" (Surrealitäts-Faktor) zu. Hier das (laut S-Faktor) reichlich surreale Unauffindbare (Marcel Marien, 1937),


Gleichermaßen surreal und gleichzeitig das Leitmotiv dieser Ausstellung ist das Hummer- oder aphrodisisches Telefon (Salvador Dali, 1936).


Die effektvolle Beleuchtung in den Ausstellungsräumen konzentriert die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die einzelnen Objekte und lässt diese zugleich in Beziehung zueinander treten.


Insgesamt eine Ausstellung über eine wichtige Phase der Kunstentwicklung, die ihre Anfänge in der Verarbeitung der Phantasielosigkeit des Ersten Weltkriegs hatte und ihr Ende im Wesentlichen in der Phantasielosigkeit des Zweiten Weltkriegs fand.

2011-03-04

Der Jesuswahn

"Unter zehn Versuchen waren halt ein Treffer." So die Einschätzung von Heinz-Werner Kubitza auf die Frage, weshalb unter den zahlreichen Wanderpredigern in Palästina vor zweitausend Jahren gerade einer wie Jesus solch eine Bedeutung erhielt und zum missverstandenen Begründer einer Vielzahl sich auf ihn berufender Religionen wurde.

Ich erlebe den Autor während einer Lesung im Club Voltaire in Frankfurt. Eingeladen von der Humanistischen Union (HU) trägt er Abschnitte aus seinem Buch "Der Jesuswahn - Wie die Christen sich ihren Gott erschufen" vor.

(Heinz-Werner Kubitza, hier links auf dem Bild, neben Peter Menne, Vorsitzender der HU Frankfurt)

In seinem Buch beschreibt er den Aufstieg eines lokalen, von einigen Beduinengruppen angebeteten Berggottes zum gewalttätigen Gott des Judentums, das nach aktuellem Stand der religions- und geschichtswissenschaftlichen Forschung relativ unspektakuläre Leben eines Jesus und die Verdrehungen und Verfälschungen seiner Worte durch Paulus und die Kirchenväter. So sah Jesus sich wahrscheinlich als normalen, sündenden Menschen und nicht als herausgehobenen "Sohn Gottes", zu dem ihn posthum die christlichen Großsekten verbogen. In seiner Lesung demaskiert Kubitza die Zehn Gebote, die von manchen als Basis der "christlichen Werte" angesehen werden, als für uns heutzutage in unserer humanistisch geprägten Gesellschaft ethisch bedenklich bis irrelevant. Sein Vortrag schließt mit einem Blick auf die geistige Verwandtschaft von Religiosität und Esoterik.

In den nachfolgenden Fragerunden werden eher präzise Fragen von Befürwortern seines Buches gestellt und eher konfuse Statement von Gegner abgegeben. Auf meine Frage, was ihn als promovierten Theologen bewogen hat, die Seiten zu wechseln und zum Aufklärer gegen die christlichen Religionen zu werden, meint Kubitza, dass einerseits die theologische Ausbildung eine kontinuierliche Entwicklung in ihm ausgelöst hat, andererseits er maßgeblich durch Franz Buggles Buch Denn sie wissen nicht, was sie glauben beeinflusst wurde.

Zum Abschluss ein kurzes Zitat aus dem Jesuswahn: "Religiöser Glaube ist Aberglaube! Jede Form von Aberglauben beschreibt eine Fehlorientierung im Lebensganzen, eine defizitäre Prämissenstruktur im Ich, dauerhafte Störungen im Wirklichkeitserleben."

Nachtrag (2011-03-06)
Ein Interview mit Heinz-Werner Kubitza über sein Buch ist hier zu hören (hpd, 56 Minuten).