2012-06-28

Beschneidungen der Religionen

Ein unbeschnittener Männlicher aber, der am Fleisch seiner Vorhaut nicht beschnitten ist, diese Seele soll ausgerottet werden aus ihrem Volk (...).
So wird der christliche Gott im 1. Buch Moses 17,14 zitiert.

Die Beliebigkeit der Interpretationen durch die monotheistischen Religionen lässt sich an deren Haltung zur Zirkumzision, der Beschneidung der männlichen Vorhaut, gut ablesen.

* Die Thora schreibt sie vor, die Juden führen sie durch.
* Die Bibel schreibt sie vor, die Christen führen sie nicht durch.
* Der Koran schreibt sie nicht vor, die Moslems führen sie trotzdem durch.

* Die Vernunft schreibt sie nicht vor, vernünftige Menschen führen sie nicht durch.

Das Landgericht Köln hat vorgestern klar geurteilt, dass eine Beschneidung an einem religionsunmündigen Kind ohne dessen Einstimmung als Körperverletzung zu verurteilen ist. Schön war zu sehen, wie die führenden Vertreter der Volksreligiotien fast unisono dieses Urteil mit teils satirisch anmutenden Gründen ablehnten. So sgte beispielsweise der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, das Urteil sei "fachjuristisch" und "ohne Gefühl für Religion". Eine berechtigte Klage. Wo kämen wir hin, wenn die Gerichte in Deutschland sich in unserem Rechststaat nur noch von Gesetzen leiten ließen? Selbstverständlich hat unsere Jurisdiktion bei der Urteilsfindung auch die "Gefühle der Religionen" maßgeblich zu berücksichtigen!
Weiterhin wünscht sich Graumann, "dass der Bundestag nun möglichst schnell Rechtssicherheit schaffe." Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen.



Solche rituellen Verstümmelungen und unnötigen Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit eines Kleinkindes, basierend auf kruden Traditionen, gehören im 21. Jahrhundert eindeutig unter Strafe gestellt, sowohl für die beauftragenden Eltern wie auch für die ausführenden Ärzte. Meinetwegen dürfen dann als zusätzliche Sanktion noch - um den martialischen Tonfall der Bibel aufzugreifen - die Seelen solcher Eltern und Ärzte "ausgerottet werden aus ihrem Volk." ;-)

2012-06-10

Iberger Höhlenerlebniszentrum



Hinter dem 2008 eröffneten Gebäude, ...



... das auf den aktuellen Google Maps-Karten noch nicht zu sehen ist, verbergen sich drei Attraktionen: ein Museum im Berg, ein Museum am Berg und die Iberger Tropfsteinhöhle.

Die Tropfsteinhöhle weist auf eine geomorphologische Besonderheit dieser Region hin. Vor rund 380 Millionen Jahren als Korallenriff in der heutigen Höhe Madagaskars entstanden, ist sie durch die Plattentektonik im Laufe der Zeit bis an ihren jetzigen Standort im Westharz verschoben worden. Die Tropfsteinhöhle wurde durch den Eisenerzbergbau im Harz bereits im 17. Jahrhundert entdeckt, was ihren seinerzeit sicherlich spektakulären Stalaktiten nicht gut bekam. Heute wirkt sie etwas geplündert - und selbst das darf nicht groß dokumentiert werden. Mit dem putzigen Argument, durch die hochfrequenten Töne während des Einschaltens der Digitalkameras könnten Fledermäuse ihre Orientierung verlieren, waren Fotoaufnahmen in der Höhle untersagt.

Das Museum im Berg ist gleichzeitig der stetig ansteigende Zugang zur Tropfsteinhöhle. Infotafel begleiten den Höhlenbesucher und geben Auskunft von den erdgeschichtlichen Veränderungen in den vergangenen knapp 400 Millionen Jahren bis hin zum Harz-Bergbau der letzten Jahrhunderte.



Das Museum am Berg ist im ersten Stock des Eingangsgebäudes beheimatet. Es ist komplett den wissenschaftlichen Entdeckungen aus der Lichtensteinhöhle gewidmet.

Ein Teil der Höhle ist als begehbare Rekonstruktion oberhalb des Museumscafes aufgehängt und erinnert damit an ähnliche Nachbauten oder Versetzungen wie die Höhle von Lascaux oder den Tempel von Abu Simbel.



In der Lichtensteinhöhle wurden 1980 ca. dreitausend Jahre alte Knochen von 40 Menschen gefunden.



1993 begann man mit der systematischen Erfassung (hier eine Fundzeichnung) ...



... und Bergung der Knochen. Der ausgezeichneten Erhaltungszustand - nach einer Lagerung bei 8° C und teilweiser Einbettung in Kalksinter - ließ eine DNA-Analyse und die Rekonstruktion der familiären Beziehungen der hier Bestatteten zu.



Einige Schädel (wie hier der der "Tochter F6", von der man weiss, dass sie die Tochter der Funde F5 und M3 und die Halbschwester von F7 und F8 war) ...



... wurden mittels plastischer Gesichtsrekonstruktion fast zum Leben gebracht.



Letzlich können die Paläoanthropologen unserer Zeit dankbar sein, dass diese frühen Lichtensteiner ...



... nicht zur damals üblichen Leichenverbrennung tendierten. Dank der genetischen Untersuchungen konnten so auch heute noch lebende Nachfahren der Höhlenbestatteten zugeordnet werden: der bislang älteste belegbare Stammbaum dieser Erde.

2012-06-09

Brockenbahn (zum 2.)

Nach der Brocken-Nebelfahrt vor drei Jahren war uns heute - bei deutlich mehr Sonnenschein - eine erneute Dampfzugfahrt zum Brockengipfel 32 € wert.

Der Reihe nach ...

Am Endbahnhof der Harzer Schmalspurbahnen, direkt gegenüber dem Bahnhof der "großen" DB, werden morgens die Dampfloks mit Kohlen und Wasser bebunkert.



Auf der Drehscheibe.



Einige Detailaufnahmen: Dampfzylinder und Kolbenstange, ...



... Seriennummer, ...



... Treibrad mit Treib- und Kuppelstangenlagern und ...



... Betriebsnummernschild.



Ausfahrt aus dem Anheizschuppen.



Die Zugfahrt verlief unspektakulär gemäß Fahrplan:
Wernigerode (234m)      ab  9:42
Drei Annen Hohne (540m) an 10:20
Drei Annen Hohne        ab 10:30
Schierke (685m)         an 10:42
Schierke                ab 10:50
Brocken (1125m)         an 11:21

Am Brockenbahnhof.



Auf dem Abstellgleis steht immer noch als einsamer Werbeträger der normalspurige Kesselwagen auf seinem schmalspurigen Rollwagen.



Um 12:51 fuhr der Gegenzug ein (Video).

Mit unserer Terminwahl hatten wir Glück. Genau an diesem Samstag feierten die HSB 125 Jahre Schmalspurbahnen im Harz ...



... mit einem Bahnhofsfest in Wernigerode. Das Bahnbetriebswerk durfte besichtigt werden. Einige Impressionen: ein Waggonunterbau über der Arbeitsgrube, ...



... eine kleine Drehbank, ähh, pardon, Drehmaschine und ...



... eine etwas größere, die schon nicht mehr in jeden Hobbykeller passen würde.



Wo gehobelt (oder gedreht) wird, da fallen Späne.



Ordnung als Schlüsseldisziplin.



Radsätze, deren Lagerflächen durch Lappen vor Verschmutzungen geschützt werden sollen.



Im Bahnbetriebswerk waren auch Modellbahnen in Betrieb; wie es sich für eine Schmalspurbahn gehört, auch hier mit Normal- und Schmalspur-Gleisen. Etwas überraschend fand ich schon, dass es offensichtlich einen Markt für solche Zwittermodellgleise gibt.



Zwei Spurweiten auf einer Anlage.



Ein Güterwaggon auf einem Rollwagen in Spurweite G.



Im Außenbereich des Betriebswerks waren einige Kuriositäten des Fuhrparks zu sehen: einer von allein fünf Schneepflügen, die im Winter die Bahnstrecken im Oberharz schneefrei halten.



Ein Gleismessfahrzeug, dass wahrscheinlich auch schon einige Zeit nicht mehr im Einsatz war.



Wie komme ich zu dieser Vermutung? Es stand auf einem Abstellgleis noch hinter diesem Wagen ...


Am Brockengipfel

Einige Eindrücke vom Brockengipfel

Zwischen 1961 und 1991 war das Brockenplateau militärisches Sperrgebiet. Der Funkverkehr zwischen der BRD und West-Berlin wurde von Soldaten der DDR-Grenztruppen von dieser höchsten Erhebung Norddeutschlands aus abgehört. Ein Betreten des Plateaus war nur mit Personalausweis, Passierschein, Sonderpassierschein und nach Vormeldung möglich.



Die gemessenen 11°C Luftttemperatur fühlten sich dank der steifen Brise und des windchill factors um einiges kühler an.



Wer konnte, versucht sich im Windschatten eines der Gebäude aufzuhalten.

Auf der Gipfelkuppe sind rosettenartig die Entfernungen zu markanten Punkten in der Niederung im Boden eingebettet.



Offensichtlich gibt es nicht nur einen Zugbetrieb nach Fahrplan.



Zwei Brocken auf dem Brocken.



Knapp unter der Baumgrenze schweift der Blick noch weit über die Hänge des Harzes.

2012-06-08

Wernigerode (zum 2.)

Nach meinem Besuch in dieser Stadt vor drei Jahren lockte mich das alljährliche Treffen der Libyen-Dachzeltbus-Gruppe erneut in den Nordharz.



Wernigerode, am Fuße der höchsten Erhebung des Harzes, dem Brocken, gelegen, kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Im Mittelalter von Bergbau und Kleinindustrie geprägt, entwickelte sich der Fremdenverkehr seit dem 19. Jahrhundert zu einem immer bedeutender werdenden Wirtschaftsfaktor. Dank der kampflosen Übergabe der Stadt 1945 blieben viele Fachwerkbauten bis heute erhalten. Ein Prunkstück und gleichzeitig eines der Wahrzeichen der Stadt ist das Rathaus, dessen Grundmauern aus dem 13. Jahrhundert stammen.



Das Portal ist mit geschnitzten Figuren geistlicher "Würdenträger" geschmückt.



Neben einem Seitenflügel, in dem jetzt die Touristeninformation beheimatet ist, ...



... symbolisieren weitere Holzfiguren das städtische Handwerk.



Pittoreske Altstadtgassen ...



... mit ihren Häuserzeilen (hier in der Hinterstraße) ...



und zahlreiche Durchgänge ...



... geben selten den Blick auf das die Stadt überragende Schloß Wernigerode frei.



Das Westerntor ist der einzige noch erhaltene Eingangswachturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung.



Neben dem Marktplatz mit seinem Rathaus ist der Nicolaiplatz ...



... der zweite innerstädtische Treffpunkt an der Haupteinkaufsstraße des Ortes, der Breite Straße.

Bei der Stadtentwicklung achtet man übrigens auch jetzt noch darauf, dass sich keine Lebensmitteldiscounter oder Supermärkte in der engeren Innenstadt ansiedeln. Die Strategie scheint erfolgreich zu sein, leerstehende Ladenlokale sind mir zumindest nicht aufgefallen. Seit Goethe in seinem Faust die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg mit seinen Brockenhexen popularisiert hat, gehören Hexen zum Lokalkolorit. Hexen am Haken und ...



... Hexen auf dem Motorrad.



Neben dem Hasseröder Bier - Hasserode ist ein Stadtteil Wernigerodes - scheint der Schierker Feuerstein die lokale Volksdroge zu sein.



Kleine Frage zum Schluss: welches Musikstück verbirgt sich hinter diesen ersten Noten, die in einem Treppengeländer in der Nähe der Musikschule eingelassen sind?